Lohnbuchhaltung – Interoperabilität und ihre Auswirkungen

Lohnbuchhaltung - Interoperabilität und ihre Auswirkungen

Lohnbuchhaltung – Interoperabilität und ihre Auswirkungen, so der grosse Titel dieses Beitrags. In diesem möchte ich Sie auf zukünftige Veränderungen von Arbeitsabläufen, aufgrund der Interoperabilität von Distributed-Ledger-Technologien, innerhalb der nächsten 5 – 10 Jahren sensibilisieren. Am Beispiel der Lohnbuchhaltung lässt sich das meiner Ansicht nach gut darstellen.

Mein Name ist Yves Helbling, ich bin Online Treuhänder und ich arbeite seit 2016 bei der Run my Accounts AG in Stäfa.

Was ist Interoperabilität?

Der Informationsaustausch zwischen verschiedenen Systemen findet heute via individuell programmierten Datenschnittstellen oder mittels manueller Übertragung statt. Mit Hilfe der Interoperabilität, also der Einigung verschiedener Systemen auf einen gemeinsamen, offenen Standard, wird die Möglichkeit geschaffen, diesen Austausch effizienter, kostengünstiger, für alle zugänglich und automatisiert durchzuführen.

Wie ist der aktuelle Stand in der Distributed-Ledger-Technologie?

Repetitive Aufgaben sollten in Zukunft voll automatisiert ablaufen. Durch die Distributed-Ledger-Technologie (kurz: DLT), heute bekannt unter den Begriffen Blockchain, steht die Technologie (fast) bereit. Die nächste Hürde besteht in der Kommunikation zwischen verschiedenen DLT’s. Erst wenn die Fähigkeit zur Zusammenarbeit unterschiedlicher Systemen gegeben ist, wird es möglich sein, aktuelle Prozesse von Grund auf neu zu gestalten. Funktionieren wird dies nur mit der Einhaltung gemeinsamer Standards. An so einer Spezifikation arbeitet die IOTA Foundation in Zusammenarbeit mit der Object Management Group (OMG). Dr. Richard Soley, Chairman der OMG teilte kürzlich die Standardisierung der DLT von IOTA auf Ende 2020 mit. Ob anschliessend die International Organization für Standardization (ISO) mitzieht ist bis zum heutigen Tag offen.

Interoperabilität am Beispiel der Lohnbuchhaltung

Um Ihnen die Auswirkungen der Interoperabilität besser vermitteln zu können, wähle ich als Beispiel die Führung der Lohnbuchhaltung von Unternehmen. Bei der Run my Accounts AG führen wir bereits für mehrere hundert Firmen die Lohnbuchhaltung. Jeden Monat müssen Lohnabrechnungen und einmal pro Jahr die Lohnsummendeklarationen und Lohnausweise erstellt werden. Trotz neuester Lohnsoftware, effizienter Prozesse und individueller Schnittstellen besteht noch viel Potenzial, die Aufwände für den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer, für die Versicherungen und den Lohnsachbearbeiter zu minimieren.

Die meisten Informationen, welche in der Lohnbuchhaltung benötigt werden, sind bereits digital vorhanden. Nur leider am falschen Ort. Daten, welche an einem Ort bereits digital erfasst wurden, dürfen nicht manuell an einen anderen Ort weitergeleitet werden. Sie müssen direkt zwischen allen Systemen ausgetauscht werden können, ohne dass dazu individuelle Schnittstellen programmiert werden müssen. Im Grundsatz benötigt die Lohnsoftware einfach Daten aus verschiedenen Bereichen (Versicherungen, Zivilstandesamt, Quellensteueramt, persönliche Daten des Arbeitnehmers usw.). Mit diesen Informationen erstellt man gesetzlich vorgeschriebene Lohnabrechnungen sowie, als Ergebnis Ende Jahr, einen Lohnausweis, welcher für die Erstellung der Steuererklärung benötigt wird. Der Aufwand dafür scheint mir jedoch für alle Beteiligten viel zu hoch zu sein.

Der Arbeitnehmer:

Grundsätzlich sollte jede Person ab Geburt eine elektronische Identität (E-ID), auf Basis einer DLT, erhalten. Diese Identität darf jedoch nicht zentral von einer Stelle verwaltet werden, sondern muss in einem Distributed-Ledger gespeichert werden. Mittels Privat Key kann nur die Person selber auf die Daten zugreifen, bzw. die Daten bei Bedarf für eine Drittperson freigeben. Auf dieser E-ID werden u.a. persönliche Daten, wie das Geburtsdatum, der Wohnort, die AHV-Nummer, die Passnummer bzw. der Ausweistyp, der Zivilstand, die Anzahl Kinder usw. zusammengetragen.

Beispiel wie es zukünftig laufen kann:

Der Arbeitnehmer wechselt den Wohnort. Der neue Eintrag im Register (DLT) der Zuzugsmeinde löscht mit Hilfe eines Smart Contracts automatisch den Eintrag im Register (DLT) der Wegzugsgemeinde. Ist dies geschehen, wird mittels Transaktion die neue Wohnadresse des Arbeitnehmers auf seine E-ID übertragen. Sind diese Daten für den Arbeitgeber freigegeben, führt dies zur automatischen Anpassung der Wohnadresse im Lohnsystem.

Der Arbeitgeber:

Neue Mitarbeiter unterzeichnen einen Arbeitsvertrag meist in Papierform. Dieser wird anschliessend in einem physischen Ordner aufbewahrt und vermutlich auch noch digital abgelegt. Für die Erfassung des neuen Mitarbeiters in der Lohnsoftware muss nun der Arbeitgeber die Daten per E-Mail an den Lohnsachbearbeiter weiterleiten.

Beispiel wie es zukünftig laufen kann:

Bereits bei der Anstellung von neuen Mitarbeitern wird der Arbeitsvertrag in einem DLT gespeichert. Darin enthalten sind Informationen zum Datum des Stellenantritts, zum Arbeitsort, zum Lohn und Pensum usw. Auch das Zeiterfassungs-Tool wird über eine DLT geführt. Die Lohnsoftware liest per Stichtag die neuen Einträge auf der DLT des Arbeitgebers aus und ergänzt diese um die Informationen auf der persönlichen E-ID des Arbeitnehmers, sofern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer dafür die Freigabe erteilt haben.

Die Versicherungen (UVG & KTG):

Versicherungen senden einmal pro Jahr die neuen Prämiensätze per Post oder per E-Mail an die bevollmächtigte Person. Diese muss die Unterlagen ebenfalls per Post oder per E-Mail als PDF an seinen Lohnsachbearbeiter weiterleiten, welcher dann die Daten manuell in der Lohnsoftware erfasst.

Beispiel wie es zukünftig laufen kann:

Die Anpassungen von Prämiensätzen. Sobald die neuen Sätze im System der Versicherung erstellt wurden, somit also ein neuer Eintrag auf der DLT der Versicherung geschrieben wurde, liest die Lohnsoftware diese Daten automatisch aus und integriert sie in der Lohnsoftware zum Zeitpunkt der Änderung. Die Daten müssen also direkt von der Software der Versicherung in die Lohnsoftware übermittelt werden. Dies spart Kosten, Zeit und vermindert die Fehleranfälligkeit bei der manuellen Eingabe.

Das Quellensteueramt:

Beim Quellensteueramt reicht der Lohnbuchhalter monatlich oder quartalsweise die Quellensteuerabrechnung ein. Teilweise funktioniert das heute bereits per Knopfdruck direkt aus der Lohnsoftware. Wie sieht es nun aber bei Mutationen von Daten des Mitarbeiters aus? Diese müssen dem Quellensteueramt mittels Mutationsformular gemeldet werden. Vor der Einreichung per Post muss das Formular ausgedruckt und vom Arbeitnehmer wie auch vom Arbeitgeber unterschrieben werden.

Beispiel wie es zukünftig laufen kann:

Bei einer Mutation von Personendaten wie beispielsweise aufgrund einer Heirat, erfasst das Zivilstandesamt die Änderung in ihrem System. Diese Information wird in der E-ID des Arbeitnehmers hinterlegt. Das System beim Quellensteueramt registriert automatisch diese Mutation und löscht die Quellensteuerpflicht dieser Person. Das Lohnsystem wiederum liest alle Änderungen seit letztem Lohnlauf aus der DLT aus und mutiert die Daten des Mitarbeiters ohne Erbringung von manueller Arbeit.

Der Lohnsachbearbeiter:

Aktuell besteht seine Aufgabe u.a. im Zusammentragen von Mutationen, seitens Arbeitnehmer (bspw. Wohnadresse), seitens Arbeitgeber (bspw. Lohn), seitens Versicherungen (bspw. Prämiensätze), der Kontrolle der Richtigkeit und Vollständigkeit der erhaltenen Daten, der Erfassung dieser im System sowie in der Ausführung der Lohnläufe. In Zukunft jedoch darf sich der Lohnsachbearbeiter vermehrt auf die Beratung von Kunden und auf die Lösung komplexer Fragestellungen konzentrieren. Dies führt zu einem Mehrwert für den Kunden und zur Veränderung der Aufgaben des Lohnsachbearbeiters.

Lohnbuchhaltung – Interoperabilität und ihre Auswirkungen – Meine Empfehlungen:

  1. Kurzfristig: Erstellen Sie Prozesse für Ihre Arbeitsabläufe, seien Sie um die Einhaltung besorgt und verbessern Sie diese kontinuierlich.
  2. Mittelfristig: Nehmen Sie einzelne Schritte aus den Prozessen heraus und versuchen Sie diese einmal „anders“ zu lösen.
  3. Langfristig: Bilden Sie eine Task-Force, welche sich mit den Chancen und Risiken in Ihrem Geschäftsfeld in Bezug auf die Interoperabilität befasst.

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