Administrativer Supergau? Neue EU-MWST ab 2015 für E-Services

EU-MWST E-ServicesAb 1. Januar 2015 tritt in der Europäischen Union eine wichtige Neuerung bei der EU-MWST in Kraft, welche auch für Schweizer Unternehmen eine enorme Tragweite haben kann. Schweizer Anbieter von elektronischen Dienstleistungen werden in dem Land mehrwertsteuerpflichtig, wo der End-Kunde ansässig ist.

Wer davon betroffen ist, muss sich überlegen, wie er die neue Regelung in Shop-Systemen und in der Buchhaltung implementieren kann. Dabei ist die Komplexität sehr hoch: In jedem EU-Land gilt ein anderes MWST Recht mit eigenen Regelungen, unterschiedlichen MWST Sätzen und Steuer-Freigrenzen.

Gesetzliche Grundlage

Vom 1. Januar 2015 sieht die Richtlinie 2008/8/EG vor, dass Ort der oben aufgezählten Dienstleistungen an Nicht-MWST-Pflichtige der Wohnsitz des Dienstleistungsempfängers ist (Artikel 58). Daraus folgt, dass die MWST in dem Mitgliedstaat und nach dessen Recht und Steuersatz erhoben wird, an dem der Empfänger der Dienstleistung seinen Wohnsitz hat.

Die EU führt einen sog. „vereinfachten Rahmen für die Erhebung von Steuern“ in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ein. Das Ziel ist, eine „gerechte und transparente steuerliche Behandlung des elektronischen Handels“ zu ermöglichen und Wettbewerbsnachteile für die in der EU ansässigen Unternehmen zu beseitigen.

Die neue Regelung tangiert folgende Fälle nicht:

  • B2B-Bereich: Im Geschäft mit MWST-Pflichtigen aus der Europäischen Union muss nach wie vor die Reverse-Charge-Regelung angewendet werden: Der Empfänger der Dienstleistung entrichtet die Steuer selber (vgl. Bezugsteuer in der Schweiz).
  • Export von Waren: Die MWST wird bei der Einfuhr in die EU abgerechnet.

Welche digitalen Dienstleistungen sind betroffen?

Betroffen sind auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen, Telekommunikations-, Rundfunk-, Fernsehdienstleistungen. Im Online-Handel geht es um Dienstleistungen und Inhalte, die im Internet zugänglich gemacht oder zum Download zur Verfügung gestellt werden. Konkret: Apps, E-Books, Programme, Medien (Musik und Filme), Erstellen von Webseiten, Games, Suchmaschinen, Online-Werbung, Webhosting, …

Konsequenzen für Anbieter von digitalen Dienstleistungen

Für Unternehmen, welche digitale Dienstleistungen in der EU anbieten, ist der Aufwand ab 1.1.2015 für eine gesetzeskonforme Abwicklung riesig:

  1. Der Anbieter muss wissen, ob es sich beim Käufer um eine MWST-pflichtige oder nicht pflichtige Person handelt. Dies kann so ermittelt werden, dass der MWST-Pflichtige seine MWST Nummer bei der Transaktion erfasst. Diese MWST Nummer muss durch den Anbieter auf Richtigkeit überprüft werden.
  2. Der Ort der Niederlassung des Kunden muss erkannt und festgehalten werden. Die vom Kunden erfasste Rechnungsadresse muss anhand der Kreditkarte oder anderer technischer Mittel zur geografischen Ortung überprüft werden. Die Regulierungen der EU zur Niederlassung sind jedoch nicht ganz einfach: es gilt der Ort, an dem die Person die meiste Zeit verbringt. Ein Brite, der die meiste Zeit in Deutschland verbringt, muss in Deutschland besteuert werden.
  3. In jedem Land der EU gelten andere Steuersätze, andere Schwellwerte zum Eintritt der Steuerpflicht und andere gesetzliche Ausnahmen. Ein Beispiel: Die Anforderungen an eine Rechnung sind von Land zu Land unterschiedlich und müssen ebenfalls eingehalten werden. All diese Regeln müssen sowohl in der Buchhaltung als auch in der Shop-Lösung abgebildet werden können. Die Komplexität hinter der Materie wird aus der 27-seitigen Zusammenfassung der Europäischen Kommission über die MWST Sätze in den Mitgliedstaaten klar.

Zur Umsetzung sind technische Systeme notwendig, welche all diese Aspekte abdecken und Transaktionen korrekt abwickeln können. Durch die Spannweite der unterschiedlichen MWST Sätze müssen den Nutzern in verschiedenen Ländern realistischerweise unterschiedliche Preise angezeigt und verrechnet werden können. Die Angabe von Nettopreisen ist aufgrund gesetzlicher Anforderungen im B2C Geschäft keine Alternative.

Abrechnung der EU-MWST in den einzelnen Ländern für Schweizer Unternehmen

Zur Abrechnung der EU-MWST durch Nicht-EU-Unternehmen sieht die EU folgende Varianten vor:

  1. Gründung einer Niederlassung in der EU.
  2. MWST-Registrierung in jedem Mitgliedstaat der EU, in dem steuerpflichtige Umsätze getätigt werden.
  3. Nutzung des neuen ab 1.1.2015 angebotenen „Mini-One-Stop-Shop-Verfahrens“ MOSS, welches z.B. in Deutschland KEA (“Kleine einzige Anmeldestelle”) heisst.

Für die meisten Unternehmen dürfte sowohl die Gründung einer Niederlassung in der EU resp. die Registrierung in jedem Mitgliedstaat kaum in Frage kommen. Damit bleibt den meisten nur die Variante Einreichung der MWST Abrechnung per „Mini-One-Stop-Shop-Verfahren“. Ein steuerpflichtiges Nicht-EU-Unternehmen muss sich allerdings für eine der Varianten entscheiden: eine gleichzeitige Nutzung eines MOSS und einer direkten Abrechnung in einem Land ist nicht möglich.

Beim MOSS-Verfahren erfolgt die Einreichung der MWST Erklärung und die Abführung der MWST für alle Länder ausschliesslich bei der Steuerverwaltung eines vom Unternehmen ausgewählten Landes, bei der sich das Nicht-EU-Unternehmen angemeldet hat. Die Einreichung der Abrechnung muss quartalsweise bis jeweils zum 20. Tag nach Abschluss des Quartals erfolgen. Der Mini-One-Stop-Shop führt die Steuer im Anschluss im Empfängerland ab.

Das MOSS Verfahren hat jedoch auch Nachteile:

  1. Über das MOSS Verfahren können ausschliesslich Umsätze und MWST abgerechnet werden. Die Vorsteuer hingegen kann nicht abgezogen werden: Sofern ein Unternehmen im entsprechenden Land Kosten generiert hat, kann es die Vorsteuer nicht zurückfordern.
  2. Wenn eine Transaktion mit einem Kunden in einer Währung stattgefunden hat, welche eine andere ist, als diejenige, in der das MOSS abrechnet, dann muss die Abrechnung zusätzlich in Original-Währung eingereicht werden. Dies vergrössert den administrativen Aufwand erheblich.

Fazit

Die Europäische Kommission behauptet, dass der Verwaltungsaufwand durch die neue Regelung nicht grösser wird. In Anbetracht der Komplexität der Umsetzung und der administrativen Hürden, vor welche betroffene Unternehmungen gestellt werden, mutet diese Behauptung realitätsfremd an. Auch kleinere Unternehmungen werden zur Umsetzung mit hohen Kosten sowohl beim Aufbau der Lösung (Technologie, Konzepte) als auch im Betrieb (Beraterkosten, Administration) konfrontiert.

Selbstverständlich steigt durch die neue Regel die Steuergerechtigkeit und einzelne Staaten kommen zu höheren Steuereinnahmen. Der Preis ist allerdings, dass das Angebot eingeschränkt wird, Unternehmen mit verhältnismässig hohen Kosten konfrontiert werden und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit sinkt. Zukunftsträchtigen Startups wird eine hohe Hürde in den Weg gelegt.

Unternehmen, welche E-Services in verschiedenen Ländern der Europäischen Union anbieten, sollten sich gut überlegen, ob sie diese Investition tätigen wollen oder ob es nicht angebraucht wäre, sich aus einzelnen kleineren Märkten zurückzuziehen, welche die Umsetzungskosten nicht rechtfertigen.

Wer es dennoch wagt, ist mit Run my Accounts bestens bedient: Wir können in unserer Online-Buchhaltungs-Software unterschiedliche Währungen als auch unterschiedliche ausländische MWST Sätze abwickeln.

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7 Kommentare zu «Administrativer Supergau? Neue EU-MWST ab 2015 für E-Services»

  1. Beim MOSS-Verfahren muss man innert 20 Tagen nach der jeweiligen Steuerperiode abrechnen, für das erste Quartal 2015 also bis spätestens am 20. April 2015. Kann das Run my Accounts leisten?

    1. Sehr geehrter Herr Dudli

      20 Tage liegt klar innerhalb des Service Levels von Run my Accounts. Wir schaffen auch 1-2 Tage nach dem Monatsstichtag – sofern wir rechtzeitig und vollständig dokumentiert sind und uns gut vorbereiten können. Einzelheiten zum MOSS Verfahren müssten allerdings noch geklärt werden: Welche Länder, welche Sätze, welche Währungen. Um eine konkrete Offerte machen zu können, müssten wir diese Hintergründe kennen. Gerne können Sie sich dazu an unser Beratungs-Team unter [email protected] wenden.

      Freundliche Grüsse
      Thomas Brändle

  2. Dieser Artikel vermittelt leider fälschlicherweise den Eindruck, dass Schweizer Unternehmen, die elektronische Dienstleistungen an Nicht-Steuerpflichtige mit Wohnsitz in der EU erbringen, von dieser Neuerung betroffen sind. Dem ist aber nicht so. Der Grund liegt darin, dass bereits seit 1.1.2010 derartige Dienstleistungen von Schweizer Unternehmern in der EU steuerbar sind (und nicht erst seit 1.1.2015). Zudem gibt es bereits seit 2010 für Schweizer Unternehmer die Möglichkeit, sich nur in einem einzigen EU-Staat mehrwertsteuerlich registrieren zu lassen und dort sämtliche Umsätze aus elektronischen Dienstleistungen abzurechnen. Neu ist für Schweizer Unternehmen lediglich, dass sie ab 1.1.2015 auch Telekommunikationsdienstleistungen und Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen nach diesem vereinfachten Verfahren abrechnen können.

  3. Pascal Nähring

    Dies ist ja wirklich eine enorme Umstellung und wird die Buchhaltung von zahlreichen Betrieben betreffen. Ich finde es amüsant, dass die Europäische Kommission behauptet, mit dieser Gesetzesänderung den Verwaltungsaufwand nicht zu beeinträchtigen.

    Ich frage mich: Wie wollen die betroffenen Staaten die MWST-Abrechnungen kontrollieren und allenfalls einfordern? Ich kann mit vorstellen, dass eine klare Beweislage fast unmöglich sein wird.

    1. Das MWST-System an und für sich stützt sich auf ein hohes Mass an Eigenverantwortung. Ich habe den Eindruck, dass es für die einzelnen Steuerbehörden schwierig sein wird, die Einhaltung einer korrekten Abrechnung von Unternehmen aus dem Ausland zu überprüfen. Die Durchsetzung der Gesetzte innerhalb der EU wird noch einfacher sein als bei Nicht-Europäischen Unternehmen.

      Die Steuerprüfung wird grundsätzlich durch den Mitgliedstaat der Registrierung erfolgen. Eine gerichtliche Durchsetzung durch einen Europäischen Staat vor einem Schweizer Gericht wird vermutlich nicht einfach und mit hohen Kosten verbunden sein.

      Die EU-Kommission hat einen Ausschuss eingerichtet, bei dem Durchführungsmaßnahmen und Auslegungsfragen laufend geprüft und abgestimmt werden. Wenn sich zeigen sollte, dass Schweizer Unternehmen der neuen MWST-Pflicht nicht nach kommen, wird mit Bestimmtheit der internationale Druck auf die Schweiz schnell ansteigen.

      Ich würde jedem Unternehmen empfehlen, diese Gesetze anzuwenden und ich mit den Konsequenzen abzufinden.

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