Vor 20 Monaten haben wir unsere Auslandexpansion nach Deutschland gestartet. In diesem Blog tragen wir unsere Erfahungen zusammen und geben diese in 17 Tipps weiter.
Tipp 1: Auslandexpansion nicht unterschätzen.
Der Eintritt in einen neuen Markt ist eine gewaltige Herausforderung, die man nicht unterschätzen darf. Neues Personal, eine andere Kultur, ein anderer Markt, andere regulatorische Rahmenbedingungen, räumliche Distanz usw. machen das Projekt komplex. Wir sind die Auslandexpansion entsprechend sorgfältig angegangen. Ein Markteintritt braucht Zeit, Kreativität, Offenheit und Anpassungsbereitschaft. Und vor allem viel Geduld.
Tipp 2: Offen bleiben
Eine Ausland-Expansion ist wie ein Startup zu gründen. Man beginnt auf der grünen Wiese. Niemand weiss, ob die Dienstleistung aus dem Heimmarkt auch im Ausland gut ankommt. Deshalb ist Offenheit gefragt. Während der ersten Phase wollten wir lernen. Wir wollten mit Kunden sprechen, Dinge ausprobieren, Probleme lösen, auf Tuchfühlung mit den Steuerbehörden und möglichen Partnern gehen. Möglicherweise funktionieren die Dinge in einem anderen Markt völlig anders und müssen neu gedacht werden.
Tipp 3: Nichts überstürzen
Wir haben uns die Zeit gelassen, die wir für die Anpassungen gebraucht haben. Wir wollten das Wachstum nicht zu schnell forcieren. Die Qualität unserer Dienstleistung hat oberste Priorität. Dies hat sich gelohnt: Die Kundenzufriedenheit ist entsprechend hoch. Es ist uns gelungen, eine solide Grundlage für zukünftiges Wachstum aufzubauen.
Tipp 4: Für den Heimmarkt lernen
Die Feedback-Schlaufe ist auch für die Auslandexpansion relevant: Aus den gemachten Erfahrungen kann man für den Heimmarkt lernen. Wir konnten verschiedene diverse Aspekte in der Schweiz verbessern.
Tipp 5: Mehr Wettbewerb im Internet
Als webbasiertes Business gewinnen wir die meisten unserer neuen Kunden im Internet. Der Wettbewerb im Web ist in Deutschland bedeutend höher ist als in der Schweiz. Bei den Besucherzahlen unserer Webseite www.runmyaccounts.de sind wir noch lange nicht bei Grössenordnungen wie bei der Schweizer Seite angekommen – auch wenn der Markt in Deutschland 10 Mal grösser ist.
Tipp 6: Kulturelle Unterschiede beachten
Andere Kulturen – andere Sitten: Viele denken, dass sich Deutschland und die Schweiz nicht so stark unterscheiden. Doch die kulturellen Unterschiede sind grösser als man denkt. Unternehmen sind in Deutschland im allgemeinen hierarchischer aufgebaut als in der Schweiz. Es geht formeller zu und her: In vielen Unternehmen ist man mit dem Vorgesetzten nicht per Du oder man spricht sich sogar mit dem Titel an. Nicht so bei Run my Accounts – aber bei einigen Kunden von uns.
Tipp 7: Vorsicht beim Stellen schaffen
Deutsche Arbeitsgesetze schützen Mitarbeiter viel stärker als in der Schweiz. Man muss sehr vorsichtig sein bei der Einstellung von Personal: Ist die Probezeit abgelaufen, kann man einen Mitarbeiter nicht mehr ohne Begründung entlassen. Stellen Sie sicher, dass Sie die richtigen Mitarbeiter gefunden haben! Eine Probezeit soll als Probe verstanden werden.
Tipp 8: Saubere Kommunikation
Deutsche drücken sich allgemein viel direkter und eloquenter aus als Schweizer. Schweizer fühlen sich eher einmal angegriffen durch eine direkte Sprache. Problematisch ist das Schweizerdeutsch, welches von Deutschen nicht verstanden wird. Wir haben auf unseren Slack Channels mit offiziellem Inhalt verboten, Schweizerdeutsch zu schreiben. So können sich auch die Deutschen Mitarbeiter in die Diskussion einbringen.
Tipp 9: Bereitschaft zu kulturellem Wandel
Der Schritt, eine internationale Firma zu werden, verlangt die Bereitschaft zu einem kulturellen Wandel. Man muss viel gegenseitiges Verständnis aufbringen. Dies hat von den Schweizer und Deutschen Mitarbeitern viel Flexibilität abverlangt.
Tipp 10: Intensiver Know-how Austausch
Unsere Herausforderung war, unsere automatisierten Prozesse nach Deutschland zu bringen und diese gleichzeitig an die regulatorischen Rahmenbedingungen anzupassen. Dazu mussten wir einen intensiven Know-how Transfer betreiben.
Unsere Deutschen Mitarbeiter mussten nicht nur die Run my Accounts Systeme und Prozesse kennen lernen, sondern diese auch an die eigenen Bedürfnisse und Regulatorien anpassen. Wir haben alle Deutschen Mitarbeiter mehrere Male in die Schweiz eingeladen und lokal bei uns geschult. Die Schweizer Prozess-Verantwortlichen (insbesondere Belegverarbeitung, Setup, Online-Buchhalter) waren und sind immer noch intensiv mit dem Aufbau der Deutschen Niederlassung beschäftigt. Gewisse Prozesse haben wir Anfangs noch aus der Schweiz betreut. Geholfen haben wöchentliche Jour-Fixe per Webmeeting zwischen dem Deutschen Vorstand Sebastian Weitmann und unseren Prozess-Verantwortlichen.
Tipp 11: Das richtige Team ist entscheidend
Mit Sebastian Weitmann konnten wir die perfekte Person als Vorstand für Run my Accounts Deutschland gewinnen. Ich kenne Ihn schon seit der Gründungszeit von Run my Accounts in der Schweiz und hatte seither einen regen Austausch mit ihm. Sebastian Weitmann ist einer der weltweiten „Gurus“ der von uns eingesetzten Open-Source-Software SQL-Ledger. Er hat nicht nur vertiefte Kenntnisse zu diesem System, sondern er kennt sich auch im Bereich der Buchhaltung in Deutschland perfekt aus.
Sebastian hat für die Auslandexpansion nach Deutschland ein tolles Team von Allroundern mit Startup-Spirit aufgebaut, welches den Aufbau aktiv mitträgt. Er wurde bei der Auswahl von unserer Schweizer Personal-Chefin und den Prozess-Verantwortlichen unterstützt.
Tipp 12: Regulatorische Rahmenbedingungen im Voraus klären
Die regulatorischen Rahmenbedingungen unterscheiden sich von Land zu Land. Daher ist es essenziell, vor dem Markteintritt alles sauber zu prüfen. Gibt es Dinge, die man beachten muss? Wieviel kostet die Umsetzung? Eine saubere Abklärung von Beginn weg schafft Klarheit und Sicherheit.
Das gilt insbesondere im Bereich der Buchhaltung. Deutschland hat ein anderes MWST System, andere Kontenrahmen, andere Sozialversicherungen, andere Bankenschnittstellen, andere Zahlungsformate, andere Steuern – ja sogar das Zahlen-Format ist anders (1.000,00 vs. 1’000.00). Dafür mussten wir unsere Online-Buchhaltungs-Software fit machen und neu parametrisieren.
Tipp 13: persönlichen Kontakt fördern
Auch im Zeitalter von Webmeetings braucht es den persönlichen Kontakt. Gegenseitige Besuche waren dabei besonders hilfreich. So haben wir das Deutsche Team zu unserem Weihnachtsessen in die Schweiz eingeladen und mit einem einwöchigen Austausch verbunden. Oder wir gehen bei gegenseitigen Besuchen miteinander Abendessen. Dies hilft, die Beziehung zu festigen und das gegenseitige Verständnis zu fördern.
Tipp 14: Arbeitsgesetze beachten
Die Arbeitszeiten in Deutschland sind kürzer: Während die Schweizer 42 Stunden pro Woche arbeiten und während 5 Wochen pro Jahr in den Ferien sind, hat ein Arbeitnehmer in Deutschland in der Regel 40 Stunden pro Woche und 6 Wochen Ferien pro Jahr. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Präsenz-Zeit aus.
Tipp 15: Auslandexpansion ist Chefsache
Die Auslandexpansion nach Deutschland ist Chefsache. Als Geschäftsführer von Run my Accounts muss ich mich immer wieder für die Interessen des Deutschen Teams in der Schweiz einsetzen. Ich muss sicherstellen, dass die notwendigen Ressourcen vorhanden sind und jeder den Aufbau in Deutschland tatkräftig unterstützt. Auch ich bin alle ein bis zwei Monate in unserer Deutschen Niederlassung in Köln und tausche mich aktiv und regelmässig mit dem Team aus. Mindestens einmal pro Woche habe ich ein Webmeeting mit dem Vorstand.
Tipp 16: mit Schweizer Bank im Ausland arbeiten
Unsere Bank in Deutschland ist die UBS. Schweizer Banken haben ein tolles internationales Netzwerk, von dem man als Schweizer Unternehmen profitieren kann. Die UBS hat uns an einige interessante Anlässe in Deutschland und der Schweiz eingeladen. Dort konnten wir uns ein Netzwerk unter anderen Schweizer Unternehmen aufbauen und vom gegenseitigen Austausch profitieren.
Tipp 17: Beratung durch Swiss Global Enterprise
Swiss Global Enterprise (ehemals OSEC) berät und begleitet Schweizer KMU bei ihren internationalen Geschäftsvorhaben. Sie bietet spannende Kurse und Austausch-Veranstaltungen an und hat ein weites Netzwerk im Ausland. Die Beratung durch Swiss Global Enterprise war für uns sehr wertvoll. Auch wenn einmal nicht alles ganz rund läuft, stehen einem die Experten von Swiss Global Enterprise zur Verfügung und können den richtigen Ansprechpartner empfehlen.
Hallo RMA Management (in beiden Ländern :-)),
ich habe mit grossem Interesse Ihren Beitrag gelesen.In der Tat sind das die selben Erfahrungen, die wir auf unserem Weg in die Schweiz vorgefunden haben. So nah und doch so unterschiedlich, gleichwohl ob zwischenmenschlich, allgemein Kulturell oder in der Geschäftswelt.
Ich wünsche Ihnen weiterhin ein glückliches Händchen; ich kann Ihnen versichern, es wird mit der Zeit einfacher. Jedes «lost in translation or culture» hat auch seine lustige Pointe.
herzliche Grüße
Markus