Zahlungsverkehr in der Schweiz: Status und Ausblick

Zahlungsverkehr in der Schweiz: Status und Ausblick

Der Zahlungsverkehr in der Schweiz befindet sich im rasanten Wandel in Richtung Digitalisierung. Mitte 2019 wurden die neuen ISO-20022 Standards eingeführt. Per 30. Juni 2020 folgte die Lancierung der QR-Rechnung. Auch weiterhin kehrt keine Ruhe ein: über neue Features soll die E-Bill auch im B2B Bereich etabliert werden. Die Einführung von strukturierten Adressen im Rahmen der neuen ISO Version 2019 werden KMUs vor Herausforderungen stellen. Ausserdem soll die API-Banken-Schnittstelle b.link an Traktion gewinnen. 

Dass sich auf der Roadmap des Zahlungsverkehrs einiges bewegt, zeigt die folgende Grafik der SIX. Aber lassen Sie sich von den vielen Einzelheiten der Grafik nicht verwirren! Wir haben die wichtigsten Eckpunkte in diesem Beitrag zusammengefasst.

Quelle: SIX, Seite 4

Ausgangslage: Zahlungsverkehr vor der Digitalisierungswelle

In der Schweiz bezahlen die 8.6 Mio. Einwohner und rund 600’000 Unternehmen jedes Jahr rund 1’000 Mio. Rechnungen pro Jahr über das Schweizer Bankensystem. Davon werden rund 400 Mio. Rechnungen von Konsumenten beglichen. Die «neueren» Rechnungsformate nehmen immer noch eine marginale Stellung ein, gewinnen aber rasch an Boden: 

  • Pro Monat werden ca. 3 Mio. Rechnungen per eBill bezahlt. Dabei gibt es rund 1.9 Mio. User der eBill. Die eBill kann über 94 Bankinstitute beglichen werden.
  • Seit Einführung zwischen Juli und November 2020 haben die Schweizer mehr als 1.5 Mio. QR-Rechnungen beglichen.

Trotz allem: Der Einzahlungsschein ist noch immer das dominierende Zahlungsmittel der Schweizer. Rund 800 Mio. Zahlungen werden jedes Jahr per Einzahlungsschein getätigt. Davon erfolgen: 

  • 37% per ERP-Software (296 Mio. Einzahlungsscheine)
  • 36% per E- oder M-Banking (288 Mio. Einzahlungsscheine)
  • 16% noch immer am Postschalter (128 Mio. Einzahlungsscheine – Im Jahr 2016 waren das noch 256 Mio.)
  • 11% mittels Papierauftrag an die Bank (88 Mio. Einzahlungsscheine)

Status QR-Rechnung

Der Start der QR-Rechnung war eher verhalten. Bei Run my Accounts schätzen wir das Volumen der QR-Rechnungen auf maximal 2-3 % aller verarbeiteten Rechnungen ein. Gemäss Angaben der SIX verdoppelt sich das Volumen auf monatlicher Basis. Im Oktober 2020 wurden rund 470’000 QR-Rechnungen beglichen.

Auf Grund des von den Banken gewählten Weges eines Softlaunches ist die Verbreitung der QR-Rechnung weit unter unseren Erwartungen. Grosse Rechnungssteller wie Telekommunikations-Unternehmen oder Versicherungen sind aufgrund hoher Einführungs-Kosten und der Komplexität ihrer Systeme teilweise noch weit von einer Einführung entfernt

Die Einführung erfolgte ausserdem nicht ganz reibungslos: 

  • Einige Software-Hersteller hatten die Implementation Guidelines im Bereich der Versionsnummer teils falsch interpretiert und gaben im QR-Code eine falsche Versionsnummer aus. Dies verunmöglichte den Rechnungsempfängern die Zahlung.
  • Bei Run my Accounts haben wir die Erfahrungen gemacht, dass gewisse Banken (darunter auch grosse) den SWICO Syntax validieren und das Resultat Ihrer Validierung falsch interpretieren. So gibt es z.B. Banken, welche Teilzahlungen in Form einer QR-Rechnungen nicht verarbeiten können, weil der von ihnen hochgerechnete MWST Betrag nicht mit den Angaben in der QR-Rechnung übereinstimmt – der Teufel liegt im Detail… Run my Accounts ist hier aktiv geworden und hat über die SWICO bei der SIX interveniert. Darauf hat die SIX die Banken aufgefordert, eine Validierung der fraglichen Felder per sofort zu unterlassen.
  • Die Einführung der QR-IBAN hat bei vielen Rechnungsstellern zu Missverständnissen geführt. Die bisherigen ESR-Referenznummern dürfen in der QR-Rechnung ausschliesslich in Kombination mit der QR-IBAN verwendet werden. Die Verwendung der IBAN hingegen setzt eine Creditor Reference nach ISO 11649 voraus.

Ein Boost in der Verbreitung dürfte die QR-Rechnung dann erfahren, wenn die bisherigen Einzahlungsscheine abgeschafft werden. Die Postfinance wird dazu voraussichtlich innerhalb den nächsten zwei Monate informieren und ein Enddatum bekannt geben. Möglicherweise wird dem Einzahlungsschein bereits Ende 2022 der Stecker gezogen. 

eBill als nächste Stufe der Digitalisierung im Zahlungsverkehr

Eigentlich wäre die eBill das zeitgemässere Format als die QR-Rechnung. Aber selbst digital affinen Personen ist es bisher nicht immer einfach gefallen, Rechnungen per eBill zu bezahlen. Weil die eBill bisher ausschliesslich im E-Banking des Empfängers ausgeliefert wird, eignet sie sich für den B2B Einsatz nicht. Unternehmen wollen Rechnungen erst durch die richtige Stelle prüfen lassen – nicht jeder für Rechnungen verantwortliche Mitarbeiter hat Zugriff aufs E-Banking. Durch die anstehenden Neuerungen wollen die Banken die bisherigen Hinderungsgründe einer stärkeren Verbreitung beseitigen. 

Etablierung von Netzwerkpartnern der SIX

Seit März 2020 gibt es eine zentrale eBill-Infrastruktur für die gesamte Schweiz. Ein Rechnungssteller kann damit alle Bankkunden erreichen, ohne sich um Interkonnektion zwischen Banken und Postfinance zu kümmern. Unternehmen können sich einem «Netzwerkpartner» der SIX anschliessen, um elektronische Rechnungen ins Netzwerk zu senden.

Im B2B Sektor soll die eBill ab 2022 einen Schub erfahren. Ab dann soll es gemäss aktueller Planung möglich sein, dass die eBill an Stelle des E-Banking direkt in die ERP Software des Rechnungsempfängers ausgeliefert werden kann. Dies kommt den Abläufen in Unternehmen nicht nur im Bereich des Zahlungsverkehrs sondern auch in der Buchhaltung entgegen. Aufgrund der praktischen Vorteile wird sich die Verbreitung der eBill in Unternehmen beschleunigen und die Prozesse wesentlich effizienter gestalten. 

Vereinfachung über «Lookup-Funktion»

Die neue «Lookup-Funktion» wird es den Rechnungsempfängern ermöglichen, den Empfang von eBills gegenüber allen Rechnungsstellern generell freizuschalten. Die Anmeldung erfolgt über ein Formular im E-Banking: der Rechnungsempfänger registriert seine E-Mail Adresse. Die Daten werden nach der Anmeldung elektronisch an den Rechnungssteller weitergeleitet. Der Netzwerkpartner des Rechnungsstellers kann eine Triage vornehmen: über die Lookup Funktion weiss er, über welchen Kanal der Empfänger seine Rechnungen empfangen möchte. Der Netzwerkpartner kann die Rechnungen dann entweder per Post, per E-Mail, elektronisch ans ERP des Empfängers oder per eBill direkt ins E-Banking ausliefern. Dies bringt wesentliche Vereinfachungen für den Rechnungssteller als auch den Rechnungsempfänger mit sich.

Zahlungsverkehr: Einführung von Strukturierten Adressen

Die Internationale Regulierung (Überwachung von Geldtransaktionen hinsichtlich Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung) setzt im Zahlungsverkehr ab 2025 den Einsatz von Strukturierten Adressen voraus. Einzelne Banken in der Schweiz verlangen bereits ab November 2022 einzelne strukturierte Elemente. Daneben sind die strukturierten Adressen Voraussetzung für das «Straight Through Processing» im Zahlungsverkehr. 

Strukturierte Adressen weisen die Teile einer postalischen Adresse standardisierten Feldern zu. Angaben wie Strasse, Hausnummern, Postleitzahl, Ort und Land werden in separaten standardisierten und entsprechend markierten Feldern ausgegeben, damit die Adressen eindeutig sind und maschinell verarbeitet werden können. Das mehrzeilige Postadressfeld darf nicht mehr verwendet werden. 

Quelle: SIX, Seite 14

Die Umstellung wird neben den Software-Herstellern auch die KMU betreffen: diese müssen ihre Stammdaten in ihren CRM- und ERP-Systemen entsprechend in die korrekten Felder abfüllen. Je nach dem können KMUs hierzu mit einem erheblichen Migrations-Aufwand konfrontiert werden. Die Banken fordern von den KMU einiges ein…

b.link ist die Antwort von SIX auf die PSD2 Regulierung in der EU, welche Europäische Banken dazu verpflichtet, ihren Kunden API Anbindungen anzubieten. 

Die SIX will mit b.link einen einheitlichen Schweizer Standard für Schweizer Banken-API schaffen. Software-Hersteller und Anwender schliessen sich dafür direkt bei der SIX an. Dies reduziert die Komplexität und den Aufwand, der durch die Anbindung vieler individueller Banken entstünde. 

b.link bietet Endkunden den Vorteil, dass diese in wenigen Minuten eine Anbindung der Buchhaltungs-Software an die Bank ermöglichen. Die Unterzeichnung und das Hin- und Herschicken von Papier-Verträgen entfällt. Neben dem herkömmlichen Austausch von Banktransaktions-Daten ist geplant, andere Use-Cases zu implementieren. Darunter soll es ein «Wealth-API» und ein «Hypotheken-API» geben.

Ein Nachteil an der Konzeption von b.link ist, dass dem Hersteller der Software eine Service-Gebühr pro Transaktion verrechnet wird – und nicht dem Inhaber des Bankkontos. Dieser Umstand erfordert, dass die Software-Hersteller ihre Geschäftsmodelle anpassen und die Transaktionen wiederum ihren Kunden weiter verrechnen müssen.

Der nächste Schub soll b.link im 2021 erfahren: die bisherige sehr teure und umständliche Zulassungsprüfung soll dann vereinfacht werden. Ausserdem wird es Anpassungen bei der Authentifizierung geben.

Banken API werden der Digitalisierung des Zahlungsverkehrs weiteren Vortrieb geben und ganz neue Anwendungen ermöglichen – sofern diese von den Banken dann auch zugelassen werden.

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