Spesenmissbrauch ist nicht nur in grossen Unternehmen ein Thema. Auch KMU sind davon betroffen. Experten schätzen, dass jedes siebte Vermögensdelikt am Arbeitsplatz ein Spesenmissbrauch ist und Unternehmen daraus Kosten in der Höhe von 0.6% des Umsatzes entstehen. Es lohnt sich also, auch im KMU genauer hinzuschauen und entsprechende Massnahmen zu treffen, damit Schäden aus Spesenbetrug möglichst verhindert werden.
Was ist Spesenmissbrauch?
Spesenmissbrauch ist ein Wirtschaftsdelikt. Wenn ein Mitarbeiter für die geschäftlichen Ausgaben mehr finanziellen Anspruch erhebt als für die gegebene Situation angemessen wäre, befindet er sich im Bereich des Missbrauchs.
Nach oben sind dem Missbrauch kaum Grenzen gesetzt: In der NZZ vom 29. Oktober 2018 (Der kühne Spesenritt einer Direktionssekretärin, Seite 13) wird der Fall einer ehemaligen Direktionsassistentin einer Grossbank beschrieben. Sie hat über acht Jahre hinweg CHF 1’000’000 über Spesenausgaben veruntreut. Begonnen hat die Direktionsassistentin damit, dass sie private Ausgaben über “nur” 571 CHF über ihre Spesen abgerechnet hatte. In den besten Jahren folgten dann Luxus-Reisen, Schönheitsoperationen und Einkäufe bei Juwelieren – alles per Firmenkreditkarte bezahlt. Ihr Trick: Zum einen hat Sie ihre Spesenauslagen unter die Spesenquittungen anderer Mitarbeiter gemischt und dem Direktor zur Unterschrift übergeben. Der Vorgesetzte hat die Spesen zwar visiert, dies aber eher beiläufig und im guten Glauben und Vertrauen, dass alles stimmig sei. Ein Spesendelikt in dieser Höhe kann aber auch nur dann funktionieren, wenn die Spesenausgaben in der Unternehmung allgemein hoch sind. Dies war bei der betroffenen Grossbank gegeben.
Schaden-Risiko besonders beim Management hoch
Die internationale Studie von ACFE untersucht Betrug und Missbrauchsfälle in Unternehmen. Insgesamt entstehen Unternehmen Kosten in der Höhe von 5% des Umsatzes aus Betrug. Die höchsten Schäden bewirken Eigentümer und Geschäftsführer: Sie sind zwar nur in 20% der Betrugsfälle in Unternehmen involviert, verursachen jedoch 75% aller Verluste. Gemäss der Studie beträgt der durchschnittliche Schaden pro Fall aus Spesenbetrug CHF 190’000.
Spesenmissbrauch durch den Eigentümer
Ob ein Eigentümer oder ein Mitarbeiter bei seinem Unternehmen in die Kasse greift, ist ein Unterschied. Dem Eigentümer gehört das Unternehmen. Sofern er einziger Eigentümer ist, wandert das Geld von der linken Tasche in die rechte Tasche. Ein Schaden aus einem Spesenmissbrauch des Eigentümers entsteht nur dem Staat, der dadurch weniger Steuereinnahmen erzielt. Ziel des Eigentümers ist es dabei, den Aufwand in der Unternehmung zu erhöhen – damit einen tieferen Gewinn zu erzielen und weniger Steuern oder Sozialversicherungsabgaben auf Lohnbezügen zu bezahlen. Viele erachten diesen Typ des Missbrauchs als «Kavaliersdelikt».
Spesenmissbrauch durch einen Mitarbeiter
Wenn sich ein Mitarbeiter bereichert, dann betrügt er damit das Unternehmen, die Eigentümer, seine Arbeitskollegen und den Staat.
Am einfachsten gelingt ein Spesenmissbrauch einem Mitarbeiter, der Zugriff auf ein Bankkonto, eine Bankkarte oder eine Firmenkreditkarte hat. Eine Machtposition in der Unternehmung ermöglicht es, sich einfacher zu bedienen. Dies belegt auch die ACFE Studie: Eigentümer oder Geschäftsführer verursachen 75% aller Missbrauchskosten. Vertrauenspersonen wie Office Manager, Buchhalter oder Aussendienstmitarbeiter mit grösserem Spesenbudget sind überdurchschnittlich oft Täter.
Wann sind Spesen zulässig?
Spesen sind zum Abzug berechtigt, wenn sie dem geschäftsmässig begründeten Aufwand zugerechnet werden können. Geschäftsmässig begründeter Aufwand sind Kosten, die zur Umsatzerzielung notwendig sind. Die Ausgaben müssen einem Drittvergleich standhalten: Würden diese Kosten von der Unternehmung auch für einen Dritten bezahlt? Die Beweislast, dass Spesen geschäftsmässig begründet sind, liegt beim Steuerpflichtigen. Besonders bei Repräsentationsspesen wie Ausgaben in Restaurants muss der Geschäftsbezug nachgewiesen werden, da ansonsten von einem privaten Konsum auszugehen ist. Fehlt der geschäftsmässige Bezug, sind die Auslagen nicht steuerfrei, sondern werden im Falle von Gesellschaften dem Gewinn aufgerechnet.
Bei den Spesen unterscheidet man zwischen effektiven Spesen und Pauschalspesen. Mit Einführung des neuen Lohnausweises im Jahr 2008 werden Pauschalspesen nur noch bei Vorliegen eines genehmigten Spesenreglements als geschäftsmässig begründeter Aufwand anerkannt. Hat der Kanton ein Spesenreglement mit pauschalen Spesen nicht bewilligt, können sie bei einer Revision hinterfragt und aufgerechnet werden, sofern die Originalquittungen nicht vorgelegt werden können. Die Spesenreglemente werden meist nach den Musterreglementen der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) gestaltet. Gegebenenfalls können Pauschalspesen dazu beitragen, Spesenmissbrauch zu verhindern.
Wie gehen Täter vor?
Eine «kleine» Veruntreuung ist oft nur der Start zu grösser angelegtem Spesenmissbrauch. Vielleicht hat sich ein Mitarbeiter einmal bei einer Spesen-Auslage geirrt und festgestellt, dass ihm diese dennoch gutgeschrieben wurde. Er «testet» dann die Prozesse in der Unternehmung mit vereinzelten kleinen Betrügereien und fühlt sich durch seinen Erfolg bestärkt: Wer sich von der Grau- und die Tabuzone begibt und keine negativen Konsequenzen erfährt, wird mutiger und greift immer stärker zu. Missbräuchliches Verhalten ist häufig eine systematische Angelegenheit, welche über einen längeren Zeitraum in der Höhe des finanziellen Missbrauchst anwächst. Die ACFE-Studie weist eine durchschnittliche Missbrauchsdauer von 24 Monaten aus – dies in Kombination mit der Erkenntnis, dass die Höhe des Missbrauchs bei längerer Dauer immer höher wird.
Welche Fälle von Spesenmissbrauch gibt es?
Bei der Kreativität ist den Betrugsfällen keine Grenze gesetzt. Wir haben zum Beispiel folgende Spesenmissbräuche gesehen:
Falsch klassifizierte Spesen
Private Ausgaben werden dem Unternehmen belastet, obwohl sie nichts mit geschäftsmässig begründetem Aufwand zu tun haben. Häufig sind solche Ausgaben als Kundengeschenke oder unter Repräsentationsspesen getarnt:
- Ein Aussendienstmitarbeiter besucht mit seiner Partnerin ein Restaurant und gibt vor, dass er mit einem Kunden essen war.
- Eine Office-Managerin kauft mit der EC-Karte der Firma privat Möbel ein und gibt vor, dass diese in einem Büro stehen würden. Sie könnte z.B. 5 Tische einkaufen, aber nur 4 davon im Büro aufstellen.
- Ein Geschäftsleiter kauft sich auf Firmenkosten ein iPad, welches er privat seinem Sohn zum Geburtstag schenkt.
Zu hohe Spesenauslagen
Hier handelt es sich um Spesen, welche in der Sache gerechtfertigt wären, wobei jedoch verhältnismässig zu hohen Ausgaben erfolgen:
- Ein Aussendienstmitarbeiter wählt für ein Treffen mit einem Kunden ein Gault Millau Restaurant.
- Eine Eigentümerin unternimmt mit ihrem Mann eine Kreuzfahrt nach Miami, um dort einen Kunden zu treffen.
- Ein Manager gibt vor, dass für seine Geschäftsreise anstatt Economy nur noch die Business-Class buchbar gewesen sei.
Fiktive Spesen
Spesenbelege, die entweder vollständig gefälscht oder verfälscht sind.
- Ein Aussendienstler tankt für einen kleinen Betrag und passt den Beleg an.
- Ein Manager schreibt selber eine Quittung für eine erfundene Hotelübernachtung.
Mehrfach eingereichte Spesen
Besonders in chaotischen Verhältnissen lassen sich solche Verstösse einfacher bewerkstelligen. Gerade wenn ein Mitarbeiter wiederholt seine Spesen zu spät einreicht, dann lässt sich die Chronologie von nur sehr schlecht kontrollieren. Besonders anfällig sind digitale Belege, die nicht nur einmal Ausdruck aus einem Thermodrucker vorliegen.
- Ein Verkäufer reicht dieselbe Restaurantquittung im März ein und im Dezember noch einmal.
- Mehrere Mitarbeiter oder auch Geschäftspartner reichen unabhängig voneinander die gleiche Restaurant-Quittung ein und geben vor, diese vollständig selbst bezahlt zu haben.
Was Sie gegen Spesenmissbrauch unternehmen können?
Keine Buchung ohne Beleg
Diese eiserne Buchhaltungs-Regel muss kompromisslos eingehalten werden. Unabhängig davon, welche Person in der Firma (der Chef?) etwas anderes fordert. Gerade in kleineren Unternehmungen wird die Buchhaltung oft nur im Hauptbuch geführt (ohne Nebenbücher). Eine unbelegte Bankkontotransaktion oder eine Kreditkarten-Ausgabe ist dann nur allzu schnell einem Aufwandkonto zugeordnet, damit sie von der To Do Liste verschwindet.
Empfehlenswert ist in einer Buchhaltung folgendes Vorgehen:
- Der Buchhalter sollte sämtliche Spesen-Ausgaben einem Forderungskonto pro Spesenbezüger pro Zahlungsmethode zuordnen. Unabhängig davon, ob die Spesenausgabe per Kreditkarte, EC-Karte, oder aus der Kasse bezahlt wurde.
- Vorliegende Spesen-Belege können dann nach einer inhaltlichen Kontrolle einem Aufwandkonto gegen das entsprechende Forderungskonto gebucht werden.
- Erst dann, wenn der Saldo des Forderungskontos CHF 0 beträgt, hat der Buchhalter die Kontrolle, dass sämtliche Belege vollständig vorliegen oder auch nicht doppelt verbucht sind.
- Solange das Forderungskonto nicht auf CHF 0 steht, besteht eine Forderung der Unternehmung gegenüber dem jeweiligen Mitarbeiter.
Oder in Nicht-Buchhalter-Sprache ausgedrückt: solange der Mitarbeiter die Ausgabe nicht als geschäftsmässig begründeten Aufwand belegt hat, schuldet er den Betrag der Unternehmung. Gelingt es ihm nicht rechtzeitig, die Ausgabe zu belegen, kann ihm diese vom Lohn abgezogen werden.
Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser.
Wenn Mitarbeiter damit rechnen, dass sie bei Spesenausgaben kontrolliert werden, dann sinkt auch das Risiko eines Spesenmissbrauchs. Dazu sollte ein Unternehmen Schutzmechanismen und Prozesse aufstellen, die sich an einem klaren, griffigen und einfach verständlichen Spesenreglement orientieren. Vorteilhaft ist ein Prozess, bei dem eine oder mehrere unabhängige Personen die Spesenausgaben gegenprüfen und allenfalls visieren. Bei Unklarheiten sollte man aktiv beim Mitarbeiter rückfragen und ihn die Ausgaben rechtfertigen lassen. Da ein Spesenbetrüger besonders über die Zeit einen hohen Schaden anrichten kann, muss ein besonderes Augenmerk auf systematischen Missbrauch gelegt werden.
Im Rahmen einer guten Corporate Governance muss der Verwaltungsrat seine Aufsichtsfunktion über die Geschäftsleitung auch im Bereich von Spesenausgaben ausreichend wahrnehmen.
Zu bedenken ist aber, dass zu viel Kontrolle auch schädlich sein kann und das notwendige Vertrauen in einem Team fundamental stören kann. Es braucht eine gute Balance.
Unbestechbare und unabhängige Fachkräfte in der Buchhaltung einstellen
Die Organisation einer Buchhaltungs-Abteilung muss so strukturiert sein, dass selbst der Chef nicht einfach die Grundsätze der Buchführung über den Haufen werfen kann. Der Chef sollte in fachlichen Angelegenheiten nur über ein beschränktes Weisungsrecht verfügen. Nur so können Missbräuche auch auffallen. Eine gewisse Unabhängigkeit des Buchhalters ist entscheidend. Erfahrungsgemäss lassen sich wenig erfahrene und in der Buchhaltung schlecht ausgebildete Mitarbeiter eher auf einen Vorwand ein und lassen sich etwas vorschreiben. Ist eine missbräuchliche Transaktion erst einmal verbucht, dann fällt sie nicht mehr so schnell auf. Es kann helfen, die Buchhaltung an einen Profi auszulagern, der eine fachlich professionelle und unabhängige Sicht auf die Buchhaltung hat und das Vertrauen des Verwaltungsrats geniesst.
Der Faktor Firmenkultur
Eine gesunde Firmenkultur Spesenmissbrauch verhindern. Nehmen die Mitarbeiter ihre Verantwortung gegenüber dem Unternehmen wahr oder betrachten Sie die Firma eher wie eine Weihnachtsgans, die man ausnehmen kann? Entscheidend ist, dass der Chef mit gutem Vorbild vorangeht und eine ehrliche Kultur prägt.
Wenn sich ein selbstgerechtes Verhalten nach dem Motto «Andere machen das ja auch, also wieso soll ich es nicht tun?» durchsetzt, dann wird es schwierig.
Digitalisierung hilft
Leider hat die Digitalisierung noch nicht in jeder Buchhaltungs-Abteilung Einzug gehalten. Die Digitalisierung einer Buchhaltung kann helfen, die Transparenz zu erhöhen und so das Risiko des Spesenmissbrauchs zu verhindern:
- Über eine moderne Online-Buchhaltungs-Software könnte das gesamte Management Team Einblick in die Buchhaltung erhalten. Dies ermöglicht eine gegenseitige Kontrolle. Insbesondere dann, wenn auch die Belege zusammen mit der Buchung gespeichert sind, fällt die Durchsicht der Ausgaben einfach. Gemäss der eingangs erwähnten ACFE Studie fliegen Missbrauchsdelikte über Tipps von Kollegen besonders oft auf – und das sollte eine Unternehmung nutzen.
- Wird in einer Unternehmung eine Spesen-App anstelle eines herkömmlichen Spesenformulars verwendet, steigt die Transparenz ebenfalls. Hinter einem Spesenformular «verstecken» sich möglicherweise sehr viele Belege. Dabei ist die Gefahr hoch, dass einzelne Ausgaben nicht genau angeschaut werden. Die Verlockung des Vorgesetzten steigt, die Formulare einfach zu visieren und sich um das nächste Thema zu kümmern. Spesen-Apps bieten jedoch die Möglichkeit, dass der Vorgesetzte jeden einzelnen Beleg elektronisch visieren kann. Damit werden ausserdem sogenannte «Rechnungsfehler» und «Eingabefehler» eliminiert werden.
Spesenmissbrauch: News-Beitrag in 10 vor 10
Schauen Sie sich zum Thema Spesenmissbrauch auch den Beitrag vom 28. Januar 2022 im 10 vor 10 von SRF an, in dem Thomas Brändle, Gründer und Geschäftsführer von Run my Accounts interviewt wird: