Das Coronavirus infiziert Menschen – und überraschend schnell auch KMU und Startups. Die Situation verändert sich schnell und bleibt unberechenbar. In Italien hat sich die Lage ganz plötzlich in einen Albtraum verwandelt. Befürchtungen, dass sich in der Schweiz aufgrund der raschen Verbreitung des Coronavirus bald eine Situation wie in Italien einstellt, sind nicht von der Hand zu weisen. Seit gestern gilt im Kanton Tessin der Notstand und die Parallelen zu Italien und China sind nur allzu offensichtlich. KMU und Startups müssen sich jetzt damit auseinandersetzten was mit ihnen passiert, wenn Umsätze sinken, Kunden zahlungsunfähig werden und eine Refinanzierung nicht möglich ist.
Gesundheitliche Massnahmen im KMU kommen an erster Stelle
Um Mitarbeiter, deren Familien, Kunden aber insbesondere auch die verletzlichen und gefährdeten Menschen vor den Folgen des Coronavirus zu schützen, stehen wir Unternehmer in der Verantwortung. Es ist ratsam, sich an die Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit zu halten.
Coronavirus: Wirtschaftliche Herausforderung für KMU
Die Herausforderungen für KMU und Startups bei der Krisenbewältigung liegen beim Coronavirus nicht in erster Linie in krankheitsbedingten Abwesenheiten von Mitarbeitern, sondern viel mehr in den damit verbundenen – oftmals von Behörden auch notwendig getroffen – Randerscheinungen:
- Werden Mitarbeiter in Quarantäne geschickt, ist mit Produktions- und Umsatzausfällen zu rechnen.
- Geschlossene Grenzen und abgeriegelte Gebiete bedeuten, dass Mitarbeiter nicht mehr zur Arbeit kommen können.
- Lieferketten können unterbrochen werden. Gerade bei Just in Time Produktionen kann hat dies schnell eine grosse Auswirkung.
- Veranstaltungsverbote führen rasch zu grossen Umsatzverlusten und einer desolaten Lagen in vielen abhängigen Branchen.
- Konsumenten, die nicht mehr ausgehen, nur noch das notwendigste Einkaufen und sich stattdessen zu Hause aufhalten, geben kein Geld in Restaurants, Unterhaltungsindustrie und im Einzelhandel aus.
Schweizer Unternehmen sind gut beraten, sich aufgrund der Coronakrise sofort und intensiv mit dieser Situation, Auswirkungen und Folgen zu beschäftigen:
- Was passiert mit meiner Firma, wenn der Umsatz plötzlich und vielleicht auch mittelfristig um 10, 20, 50 oder gar 100% zurückgeht?
- Was passiert mit meiner Firma, wenn Kunden Rechnungen zu spät oder gar nicht mehr begleichen?
- Ist meine Firma kurzfristig in der Lage, Eigen- oder Fremdkapital aufzunehmen, welches das kurzfristige Überleben sichert?
Mitarbeiter, Mieten, Versicherungen und sonstige Kosten müssen trotz Umsatzeinbruch auch in der grössten Krise pünktlich bezahlt werden. Kosten können nicht gleichförmig wie der Umsatz reduziert werden. In vielen Unternehmen wird dies zu dramatischen Situationen führen. Erst recht in einer Zeit, in der die Verschuldung derart hoch ist. Schnell kann die Zukunftsfähigkeit ein Problem werden.
Auf der anderen Seite kann die Coronakrise für Unternehmen mit langem Atem und genügenden Bar-Reserven auch grosse Chancen und strategische Optionen eröffnen: ggf. können günstige strategische Zukäufe getätigt werden.
Finanzielle Überlegungen für KMU und Startups
Die Unvorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus hat potentiell einen drastischen Einfluss auf anstehende Entscheidungen. Proaktive Geschäfts- und Finanzleiter müssen die veränderte Realität und deren Auswirkungen analysieren und adäquate Anpassungen vornehmen. Eine Überarbeitung von Finanzplänen mit einer schonungslosen Diskussion der Abwärts-Szenarien ist angebracht.
- Fixkosten analysieren. Es kann sinnvoll sein, Entscheidungen über eine dauerhafte Erhöhung zukünftiger Ausgaben zu vertagen (Einstellung von Mitarbeitern, Abschluss von langfristigen Verträgen, …). Suchen Sie nach flexiblen Alternativen und vermeiden Sie jetzt die Erhöhung von Fixkosten.
- Massnahmen zu Kosteneinsparung. Entwickeln Sie Massnahmen zu Kosteneinsparung, die schnell umgesetzt werden können: Reduzieren Sie Marketing- und Sponsoringausgaben, Reisekosten und Neueinstellungen. Je nach Erwartung in ihrem angepassten mittelfristigen Finanzmodell müssen ggf. längerfristige Kostensenkungen wie Entlassungen eingeleitet werden.
- Kapitalbeschaffung beschleunigen. Besonders Startups, die von Finanzinvestoren abhängig sind, sollten sich jetzt auf die Kapitalbeschaffung fokussieren. Kleinere oder vielleicht sogar grössere Kompromisse mit Investoren müssen wohl in Betracht gezogen werden, auch wenn der Deal suboptimal ist. Denken Sie daran: Sinkende Börsenindizes haben nicht nur eine Auswirkung auf börsennotierte Unternehmen – auch der Unternehmenswert von KMU und insbesondere Startups und die damit verbundene Bonität korreliert mit der Börse und sorgt für eine schlechtere Ausgangslage bei einer Refinanzierung.
- Ausarbeitung eines Notbudgets. Die wirtschaftliche Unsicherheit wirkt sich unmittelbar auf die zukunftsorientierten Finanzmodelle (DCF) und Budgets von Unternehmen aus. Sie sollten zusammen mit einem geeigneten Finanzfachmann / CFO einen Notfallplan für einen möglichen Umsatzrückgang entwickeln. Betrachten Sie dabei auch die Auswirkungen auf die Cash-Reserven. Arbeiten Sie mit verschiedenen Szenarien, um möglichst viel über die sich stellenden Herausforderungen zu lernen.
- Laufende Überprüfungen. Bleiben Sie dran und überprüfen Sie die Situation laufend und ehrlich. Natürlich sind auch positive Entwicklungen nicht ausgeschlossen. Packen Sie Chancen, wenn sich diese bieten.
Um trotz Coronainfektionen möglichst handlungsfähig zu bleiben und grösseren finanziellen Schaden abzuwenden, können z.B. folgende operativen Massnahmen getroffen werden:
- Homeoffice. Überprüfen Sie, ob Mitarbeiter auch wirklich von zu Hause aus arbeiten können. Nur der Realität-Check wird ihnen zeigen, ob das VPN aufgebaut werden kann und das Softphone auch von zu Hause aus funktioniert. Bei Run my Accounts haben wir in der letzten Woche sämtliche Mitarbeiter mit einem zusätzlichen Monitor und einer Tastatur für die Heimarbeit ausgerüstet, damit wir möglichst ununterbrochen die volle Leistung für unsere Kunden erbringen können. Geben Sie die Weisung heraus, dass Mitarbeiter am Abend ihren Laptop UND das Netzteil mit nach Hause nehmen müssen.
- Flexibilisierung der Arbeitszeit. Damit Mitarbeiter die Stosszeiten in den Öffentlichen Verkehrsmitteln vermeiden können, haben wir die Anwesenheitszeiten unserer Mitarbeiter flexibilisiert. Unsere Mitarbeiter müssen nicht schon um 9:00 am Arbeitsort sein, sondern können auch erst um 10:00 zur Arbeit erscheinen. So vermeiden Sie dann auch die Stosszeiten am Abend, weil sie länger arbeiten. Damit sollte das Ansteckungsrisiko sowohl vor, während aber auch nach der Arbeitszeit verkleinert werden.
- Dokumentation forcieren. Sofern noch nicht vorhanden, dokumentieren Sie kritische Vorgänge im Unternehmen, damit bei einer längeren Krankheit eines Mitarbeiters auch ein Stellvertreter übernehmen kann. Ganz wichtig: Spielen Sie die Dokumentation durch. Überprüfen Sie, ob Ihre Dokumentation noch aktuell ist.
- Zusammenarbeit mit Lieferanten. Fordern Sie Notfallpläne Ihrer wichtigsten Lieferanten ein. So können sie das Bewusstsein für allfällige Notstände bei für Sie kritischen Lieferanten verbessern und Ihr Risiko senken.
Greift eine staatliche Unterstützung?
Das wird sich noch zeigen. Wie meistens ist es absehbar, dass höchstens systemrelevante Unternehmen wie Banken unterstützt werden. KMU sind oft zu klein, gehen vergessen oder die administrativen Hürden werden zu hoch sein.
Im besten Fall wird es vielleicht Zahlungs-Aufschübe für AHV, MWST, Steuern oder Stromrechnungen geben. Erste Aussagen von Bankern deuten auch darauf hin, dass Kantonalbanken wegen dem Coronavirus kurzfristig Kreditlimiten erhöhen könnten. Allerdings sind solche Erleichterungen mit Vorsicht zu geniessen: Sie führen nur zu einem Aufschub der Zahlung und einer kurzfristigen Liquiditätsverbesserung. Die Ertragslage und eine drohende Überschuldung können solche Massnahmen nicht verhindern. Ausserdem ist fragwürdig, ob solche Massnahmen rechtzeitig kommen. Vielen Unternehmen könnte das Geld ausgehen, bevor die Massnahmen implementiert sind.
Trotz allem: wir wünschen Ihnen gute Gesundheit und hoffen, dass die oben beschriebenen Massnahmen bei Ihnen nicht zur Anwendung kommen müssen!